Die Schicksalsweberei
184 pages
German, Middle High (ca.1050-1500)

Vous pourrez modifier la taille du texte de cet ouvrage

Découvre YouScribe en t'inscrivant gratuitement

Je m'inscris

Die Schicksalsweberei , livre ebook

-

Découvre YouScribe en t'inscrivant gratuitement

Je m'inscris
Obtenez un accès à la bibliothèque pour le consulter en ligne
En savoir plus
184 pages
German, Middle High (ca.1050-1500)

Vous pourrez modifier la taille du texte de cet ouvrage

Obtenez un accès à la bibliothèque pour le consulter en ligne
En savoir plus

Description

Mutiger Aufbruch aus dem DazwischenIch habe keinen anderen Weg als den eigenen. Dieser Weg hat Alma zur Schriftstellerei geführt. Die junge Frau hadert mit ihrem Schicksal: Sie findet keinen Platz in einer Welt, die sie nicht versteht. Als Romanautorin macht sie sich auf, das Leben zu suchen. Sie begegnet aber zunächst in vielfacher Weise dem Tod, den sie jedes Mal aufs Neue überwinden muss. Ihre Entwicklungsreise führt sie von Jerusalem, durch die Wüste, über die Niederlande bis hin zu Frau Holles Garten, in dem Selbstmörder eine neue Aufgabe erhalten. Sie gelangt ins Reich der roten Zwerge, zu einer traumatisierten Gretel in ihrem Lebkuchenhaus, zum Luftfährmann, der sie über den Abgrund trägt, aber im falschen Jahrhundert ablädt. Schliesslich wird sie zur Gerichthaltung über den eigenen Roman auf den Ölberg geführt und macht die schönste Entdeckung ihres Lebens.Ein tiefsinniges, humorvolles Buch für Poeten des Zwischenraumes und Sucherseelen, die dem Leben auf eine neue Art begegnen wollen.

Informations

Publié par
Date de parution 25 août 2014
Nombre de lectures 0
EAN13 9783037840511
Langue German, Middle High (ca.1050-1500)

Informations légales : prix de location à la page 0,0750€. Cette information est donnée uniquement à titre indicatif conformément à la législation en vigueur.

Extrait

Die Schicksals weberei
Roman



Evelyn Reimann
Die Schicksals weberei
Entwicklungsroman




© 2014 Schwabe AG, Verlag Johannes Petri, Basel, Schweiz
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Das Werk einschließlich seiner Teile darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags in keiner Form reproduziert oder elektronisch verarbeitet, vervielfältigt, zugänglich gemacht oder verbreitet werden.
Umschlaggestaltung: Thomas Lutz © Foto: Evelyn Reimann
Lektorat: Satu Binggeli
Gesamtherstellung: Schwabe AG, Muttenz/Basel, Schweiz
ISBN Printausgabe 978-3-03784-038-2
ISBN eBook (ePUB) 978-3-03784-051-1
ISBN eBook (mobipocket) 978-3-03784-058-0
rights@schwabe.ch
www.verlag-johannes-petri.ch



Für alle, die mir begegnet sind
und noch begegnen werden.


Inhalt
Vorwort
1. Der Raum zwischen den zwei Ewigkeiten
2. Almas Welt – halb Engel, halb Tier in der Transithalle
3. Die Orgien der Musen
4. Das Herz der Erde
5. Die toten Kinder
6. Der Blumensternenkrieg
7. In der Wüste Alamins
8. Das Feld der organisierten Wäscheleinen
9. Das Lebkuchenhaus und die Roten Zwerge
10. Alraune und Kosima
11. Das Königtum der Waagrechten
12. Liliengesang
13. Die Königin der Sehnsucht
14. Frau Holles Blumenwiese
15. Der Garten der Selbstmörder
16. Der Luftfährmann und die Wiederholung des Weges
17. Der denkende Hügel
18. Der Abstieg in die Höhen
19. Der Menschen-Welten-Kosmos-Tanz
20. Der Eiserne Engel und die Große Mutter
21. Der Herr des Schicksals und der Lebensliebesfunke
22. Erdenlebenliebe vor dem Ölberggericht
23. Auf der Grenze zwischen du und dir


Vorwort
Nachdem Alma, die Protagonistin dieses Romans, den letzten Satz ihrer Geschichte niedergeschrieben hatte, blickte sie zurück. Erst da wurde sie vollumfänglich gewahr, dass sie eine Art Einweihung ins Leben hinein durchlaufen hatte. Keine laute und aufsehenerregende, oh nein. In Alma hatte sich eine stille, innere Verwandlung vollzogen, so dass sie am Ende der letzten Buchseiten zwar noch immer Alma war, aber sich zu einer erweiterten Alma entwickelt hatte. Dadurch wurde ihr auch die Welt größer, reicher und schöner als zu Anfang des Romans.
In Thomas Manns Roman Der Zauberberg las Alma folgenden Satz: «Zum Leben gibt es zwei Wege: der eine ist der gewöhnliche, direkte und brave. Der andere ist schlimm, er führt über den Tod, und das ist der geniale Weg.» Dieser Satz ließ Alma aufhorchen, und eine zarte Freude gebar sich in ihr als Antwort. Durch ihre eigene Geschichte erkannte sie nämlich, dass Begriffe wie Krankheit und Tod ihre herkömmliche Bedeutung verloren. Krankheit war für sie nunmehr eine notwendige Reise zu echter Gesundheit, und der Tod fungierte als Elixier zu wirklichem Leben.
Das ist Almas Erfahrung.


1. Der Raum zwischen den zwei Ewigkeiten
Sie riss ungestüm den Vorhang auf. Der Anblick des ersten Schnees blendete die schlaftrunkenen Augen von Alma, die am Morgen wie ein Schatten durchs Wohnzimmer schwebte. Weder in der Tages- noch in der Nachtwelt befand sie sich, sondern war irgendwo dazwischen steckengeblieben. Sie, die normalerweise morgens nichts sah, sah heute zum ersten Mal etwas: das Nichts.

Der Schnee
Ein Radiergummi, der die Welt über Nacht wegrubbelt
Vollkommen leer
Das Nichts im Alles
Vollendet
Die Ewigkeit
Das Leben – ein Mosaik mit klarem Anfang und Ende. Dazwischen nichts als Überraschungen, Tragödien, absurde Komik, nicht zu entrinnende Routine. Und die Feststellung: Ich bin.
«Wie lange werde ich tanzen?», fragt sich bange jede Schneeflocke. «Welchen Nachbarn schubse ich an, und welcher Ton wird daraus erklingen im unablässigen Konzert des Lebens von der oberen Ewigkeit, dem Land der vorgeburtlichen Sphäre, hin zur unteren Ewigkeit, dem Land des Nachtodlichen?»
Alma drückte den Knopf der Kaffeemaschine und hielt sich die Ohren zu beim Gekreische, das die Bohnen im Todeskampf verursachten. Tausend Gedanken hüpften ungeduldig durch ihren Kopf wie jubelnde Ideen, die sich über das Nichts erhoben und auf einem weißen Blatt Papier zur Ruhe kommen wollten. Aber als sie sich hinsetzte, um ihren Roman zu beginnen, wurden die unbändig flitzenden Ideenschneeflöckchen radikal verschlungen von der schneeweißen Ewigkeit draußen, auf die unablässig das Leben tröpfelte.
Die Absolutheit schlich schadenfreudig heran: «Schreiben ist nix für dich, Schätzchen! Du taugst nicht!» Ach ja, den Hang zum Absoluten erkannte Alma allmählich auf Anhieb.
Plötzlich wurden Stimmen in ihrem Innenohr laut. Ein Demonstrationstross zog durch die Innenstadt ihrer Seele. Menschen mit breiten Plakaten säumten die Straßen in ihrem Kopf: ‹Mut zur Vergeblichkeit!› stand in grellen Farben auf den Transparenten geschrieben, ‹Wider der Perfektion!› und ‹Stopp dem Drang, gefallen zu wollen!›
«Wie recht sie haben!», dachte Alma. Wenn jeder so absolut wie sie durchs Leben schritte, würde keine einzige Schneeflocke mehr tanzen. Jede Bewegung würde in sich erstarren. «Das Relative ist doch immer noch besser als gar nichts, findest du nicht?»
«Aber warum denn jetzt mit dem Romanschreiben beginnen?», schnauzte einer unleidig in Alma.
«Weil sonst der Wagen in die Worterschaffungswelt wieder abfährt!», antwortete ein Besonnener. «Jetzt steht er zum Einsteigen bereit und nicht morgen!»
Am Tag zuvor war nämlich etwas Wunderliches passiert, wodurch Alma auf den wartenden Wagen in die Worterschaffungswelt aufmerksam geworden war. Sie hatte einen Seelendetektiven aufgesucht, der Klarheit verschaffende Tests mit ihr durchführte, denn Alma wollte nur eines: endlich eine gesellschaftsfähige Dia gnose verpasst zu bekommen, die ihr ganzes Lebensleid in einem einzigen Wort erklären würde. Alma würde sich anständig in eine Schublade verpacken lassen, wor in sie ihren Seelenfrieden fände.
Voller Erwartungen schaute sie den Seelendetek tiven an am Ende einiger Stunden unzähliger Fragen samt Malen und Dichten, Weinen und Lachen. Aber was sagte dieser Spaßvogel in gelassenem Ton nach Ablauf all dieser Mühen?
«Sie sollten ein Buch schreiben.»
Hä? Hatte der nicht alle Tassen im Schrank? «Die Diagnose, bitte!», forderte Alma mit nachdrücklicher Stimme.
«Sie sollten ein Buch schreiben.»
«Na hören Sie mal, meinen Sie, ich bezahle einen Haufen Geld, und Sie rücken keinen anständigen Befund heraus?!»
«Sie können Ihre Not in ein sinnvolles Produkt umwandeln.»
War der völlig bekloppt oder quasselte der einfach eine elendige Psychologenphrase herunter? Ein wohlklingendes griechisches Wort wollte sie hören, das einfach und bequem ihr komplexes Leben formgerecht in einen Raster goss, der von der Gesellschaft rundum anerkannt würde: ‹Derviasthenie›, ‹Prolarphoria›, ‹Akreboestase› … Kein Mensch würde wissen, was dieses Wort eigentlich bedeutete, aber es war logisch und autorisiert. Anstelle von vergeblichen Versuchen, ihr Leben zu erklären, oder den unsichtbaren Abgrund, an dem sie lebte, mit Deckfarbe zu kaschieren, würde sie einfach das Zauberwort hinschmettern, und jeder würde wohlwollend mit dem Kopf nicken. Kein Unverständnis und kein Missverständnis mehr. Mit dem Wortstreich eines Griechen würde sie befreit von den vielen Diagnosen, die sie sich selbst angehängt hatte im Laufe der Jahrzehnte nach all den vielen gescheiterten Versuchen, ins Leben hineinzukommen: Schwarzes Lamm, Rühr-mich-nicht-an, Seidennervenspinnerin …
«Ach, kommen Sie schon, mein Freund», schmeichelte Alma dem bockigen Seelendetektiven, «das regeln wir doch unter uns! Sie sehen ja, dass ich erdenuntauglich bin, so sehr ich mich auch bemühe, und mein Dasein mir als Qual entgegentritt, die in der Zeit nicht endet.»
Keine Reaktion. Stoisch saß er da. Ein mitleidiges Lächeln zuckte einen Moment lang über seine schmalen Lippen.
Mit letzter Kraft hauchte Alma liebsäuselnd: «Teile meine Seele ein, Bruder, in die feste Ordnung des Internationalen Krankheitscodexes.»
«Ein Buch, Sie schreiben ein Buch!», entgegnete er herrisch. Alma hätte in die Tischplatte beißen können. «Sie können auch zuerst ein Bild malen», meinte er entgegenkommend und lächelte ihr freundlich ein AufNimmerwiedersehen zu.
Mit zittrigen Knien verließ sie sein Sprechzimmer. Sie hatte sich doch ausgemalt, dass sie hüpfend vor Freude die Seelenverpackungsfabrik verlassen würde, beschenkt mit einem Diagnose-Karton, der ihr ein sicheres Dach mit warmem Kamin geboten hätte. Nun stand sie wieder mit leeren Händen im Nichts. Passte sie denn wirklich in keinen Karton hinein?
Sie durchquerte die ganze Seelenverpackungsfabrik und verirrte sich dreimal, weil der Gedanke eines heimeligen Kartons ihr ein Brett vor die Sicht nagelte. Endlich erreichte sie das Ausgangstor, kam aber nicht hindurch, weil ein Mensch auf der Türschwelle stand und sie anschaute. Obwohl sie beinahe in ihn hineingelaufen wäre, war sie nicht imstande zu sagen, wie er aussah. Seine glasklare Ausstrahlung überdeckte dieses Detail.
«Wie zwecklos, dir den Kopf zu zerbrechen, in welche Diagnose du passen könntest», sprach er sie mit ruhiger, fast eintöniger Stimme an. Er war von solch einer Abgeklärtheit und Unsentimentalität, dass er irgendwie nicht nur von der gewohnten Welt aus Maß und Zahl war, sondern weite Zeiträume zu überblicken schien.
«Was? Wie? Warum?», schoss es aus der völlig verdutzten Alma.
«Weil es keine Diagnose gibt. Das Problem, worunter du leidest, ist keine Krankheit. Immer mehr Menschen werden mit solchen Schwierigkeiten zu kämpfen haben –»
«Was, wirklich?! Die Armen!», fuhr sie dem Türschwellenmensch entsetzt ins Wort.
«Gar nicht arm, sondern reich! Dadurch eröffnen sich ihnen ganz neue Möglichkeiten! Aber gut, zunächst ein Fluch. Die Bedingungen auf dieser Erde passen nicht zu ihrem Wesen, da die Erde zu grob geworden i

  • Univers Univers
  • Ebooks Ebooks
  • Livres audio Livres audio
  • Presse Presse
  • Podcasts Podcasts
  • BD BD
  • Documents Documents