Beatrice von Bismarck, HochschuleffekteProjektarbeit als emanzipatorische Praxis
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Beatrice von Bismarck Hochschuleffekte 1Projektarbeit als emanzipatorische Praxis [04_2004] So untrennbar die Forderung nach Kreativität auch seit Beginn des 19. Jahrhundert an die Vorstellung des Künstlers geknüpft ist, so nachhaltig ist ihre Bedeutung und Funktion in der postindustriellen Gesell-schaft doch ins Wanken geraten. Übernahmen durch ökonomische Produktions- und Managementmodelle haben den von Seiten der Kunst formulierten Exklusivitätsanspruch auf Kreativität in Aneignungsverfah-ren gebrochen - Aneignungsverfahren, die wie Luc Boltanski und Eve Chiapello ausführten, auch Autono-2mie, Authentizität und Befreiung in neue Unternehmensstrategien integrierten. Die Anforderungsprofile postfordistischer Arbeitsverhältnisse hören sich an wie ein Echo auf Kriterien, die bislang vorrangig künstlerischer Praxis und den an sie geknüpften Erwartungen vorbehalten waren, zählen doch im Umfeld von Selbstverwirklichung, Selbstbestimmtheit und Freiheit angesiedelte Techniken der Selbstorganisation 3und -verwaltung ebenso dazu wie etwa die Fähigkeit, Paradoxalitäten produktiv zu machen. Künstlerin-nen und Künstlern werden entsprechend Vorbildfunktionen zugesprochen. Wer sich die Frage nach der aktuellen gesellschaftlichen Aufgabe von ausbildenden Institutionen im Kunstfeld stellt, muss mithin die Bedingungen affirmativer ökonomistischer Instrumentalisierung mit be-denken. Unabhängig von der Überlegung, ob Kunst - oder ob überhaupt etwas - gelehrt ...

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Beatrice von Bismarck
Hochschuleffekte
Projektarbeit als emanzipatorische Praxis
1
[04_2004]
So untrennbar die Forderung nach Kreativität auch seit Beginn des 19. Jahrhundert an die Vorstellung
des Künstlers geknüpft ist, so nachhaltig ist ihre Bedeutung und Funktion in der postindustriellen Gesell-
schaft doch ins Wanken geraten. Übernahmen durch ökonomische Produktions- und Managementmodelle
haben den von Seiten der Kunst formulierten Exklusivitätsanspruch auf Kreativität in Aneignungsverfah-
ren gebrochen - Aneignungsverfahren, die wie Luc Boltanski und Eve Chiapello ausführten, auch Autono-
mie, Authentizität und Befreiung in neue Unternehmensstrategien integrierten.
2
Die Anforderungsprofile
postfordistischer Arbeitsverhältnisse hören sich an wie ein Echo auf Kriterien, die bislang vorrangig
künstlerischer Praxis und den an sie geknüpften Erwartungen vorbehalten waren, zählen doch im Umfeld
von Selbstverwirklichung, Selbstbestimmtheit und Freiheit angesiedelte Techniken der Selbstorganisation
und -verwaltung ebenso dazu wie etwa die Fähigkeit, Paradoxalitäten produktiv zu machen.
3
Künstlerin-
nen und Künstlern werden entsprechend Vorbildfunktionen zugesprochen.
Wer sich die Frage nach der aktuellen gesellschaftlichen Aufgabe von ausbildenden Institutionen im
Kunstfeld stellt, muss mithin die Bedingungen affirmativer ökonomistischer Instrumentalisierung mit be-
denken. Unabhängig von der Überlegung, ob Kunst - oder ob überhaupt etwas - gelehrt werden kann,
wie sie James Elkins in seiner Auseinandersetzung mit der Aufgabe von Kunsthochschulen aufwirft,
4
ste-
hen dabei diejenigen Funktionen solcher Institutionen zur Debatte, die über die Weiterverbreitung einer
"Norm der Abweichung" hinausgehen.
5
Eine Debatte, die ihr Profil vor dem Hintergrund einer auf gesell-
schaftlicher Relevanz bestehenden künstlerischen und kulturellen Praxis entwickelt und die ihr Gewicht
der besonderen ermöglichenden Nähe zum Produktionsprozess, wie sie Ausbildungssituationen eigen ist,
verdankt.
In einer Erweiterung der Ansätze der "Institutionellen Kritik" der späten 1960er und 1970er Jahre sind
dabei über die räumlichen, sozialen oder diskursiven Funktionen der Institution "Hochschule" hinaus vor
allem deren Effekte von Bedeutung. Angesprochen sei damit eine Individualisierungsmatrix mit ihren
symbolischen und ökonomischen Verwertbarkeiten, die in Ausbildungssituationen produziert und weiter
verbreitet wird. An sie gebundene Naturalisierungen, Hierarchisierungen sowie Ein- und Ausschlussver-
1
Der vorliegende Text stellt eine erweiterte Fassung dar des unter dem Titel "Modellversuch Projektarbeit.
Institutioneller Widerstand oder emanzipatorische Praxis" veröffentlichten Beitrags zu "Kulturrisse", Nr. 76, 1/2004, S.
14-16 sowie des Aufsatzes "Performative Abweichung. Überlegungen zur Projektarbeit in Ausbildungssituationen" in
"Texte zur Kunst", Heft 53, 14. Jg., März 2004, S. 70-74.
2
Vgl. Luc Boltanski/ Eve Chiapello: Die Arbeit der Kritik und der normative Wandel, in: Marion von Osten (Hg.): Norm
der Abweichung, Zürich/New York 2003, S. 67-68. Der Aufsatz von Boltanski und Chiapello, erstmals publiziert in
"Berliner Journal für Soziologie", 4 (2002), fasst Hauptthesen ihrer Untersuchung "Le nouvel esprit du capitalisme",
Paris 1999 zusammen.
3
Vgl. Thomas Lemke / Ulrich Bröckling / Susanne Krasmann: Gouvernementalität, Liberalismus und Selbsttechnolo-
gien. Eine Einleitung, in: Ulrich Bröckling/ Susanne Krasmann/ Thomas Lemke (Hg.),
Gouvernementalität der Gegen-
wart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen
, Frankfurt/Main 2000, S. 30; vgl. Siegfried J. Schmidt: Kreativität –
Innovation - Aufmerksamkeitsökonomie, Unpubliziertes Vortragsmanuskript, S. 4-5.Ich danke Siegfried J. Schmidt für
die Überlassung des Manuskripts.
4
Vgl. James Elkins: Why Art Cannot be Taught. A handbook for art students, Chicago 2001, bes. S. 91-110.
5
Den Titel ihrer Publikation begründend, heißt es bei Marion von Osten: "Wenn Dissidenz, Kritik und Subversion zum
Motor der Modernisierung eben jener Verhältnisse werden, die zu unterminieren, abzuschaffen oder wenigstens zu
denunzieren sie einmal angetreten waren, verkehrt sich das Verhältnis von Norm und Abweichung." Marion von Osten
(2003), a. a. O., S. 7.
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1
fahren sowohl zu vermeiden als sich auch ihnen zu entziehen, setzt, so die These des Folgenden, eine
Handlungsstruktur voraus, die die Institutionalisierung verweigert, die auf räumliche, zeitliche und soziale
Kontingenz dringt und die sich in ihrer reflexiven Anlage selbst als Subjekt und Objekt begreift.
Im Mittelpunkt der hiesigen, auf das kritische Potenzial von Hochschulausbildung gerichteten Überlegun-
gen steht eine spezifische Form von Projektarbeit, wie sie einerseits seit 1994 im "Kunstraum der Univer-
sität Lüneburg" und andererseits seit 2000 vom "/D/O/C/K Projektbereich" der Hochschule für Grafik und
Buchkunst in Leipzig praktiziert wird. In beiden Fällen sowohl transdisziplinär als auch berufsübergreifend
angelegt, bindet sie Künstlerinnen und Künstler, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedli-
cher Disziplinen - der Kunstgeschichte, Kultur- und Bildwissenschaften, ebenso wie der Soziologie, Philo-
sophie und der Medienwissenschaften - , verschiedene Professionelle im Kunstfeld und die Studierenden
der jeweiligen Hochschule ein. Die prozessuale Arbeitsform in den Projekten erlaubt in den einzelnen
Stadien unterschiedliche Grenzbestimmungen zwischen Aufgaben, Positionen und Feldern wie auch deren
Thematisierung und Reflexion. Über die möglichen Annäherungs- aber auch Abstoßungsprozesse zwi-
schen den Disziplinen oder zwischen Kunst und Wissenschaft hinaus stehen vor allem die Rollen aller
Beteiligten kontinuierlich zur Disposition, verändern sich innerhalb eines Projektes auch mehrfach.
Inhaltlich organisierte sich die bisherige Arbeit des KUNSTRAUMS und des /D/O/C/K Projektbereich um
Themen wie die Definition, Formalisierung und Honorierung von projektorientierter Kunst, um die Mög-
lichkeiten und Verhältnisse von selbstorganisierten Strukturen im kulturellen Feld, um die Bedeutung von
"immaterieller" Arbeit im künstlerischen und kulturellen Feld, um Konstitutionen und Wandlungen kultu-
reller, professioneller und institutioneller Identitäten, um das Verhältnis von Kunst, Ökologie und Nach-
haltigkeit oder um die Öffnung archivarischer Praktiken jenseits des Erinnerungsdiskurses.
6
Bestimmend
für die Projektarbeit an beiden Orten ist zum einen ein relationales Verständnis des gesellschaftlichen
Bereichs "Kunst" und zum anderen ein durch ein "Netz von Beziehungen und Übertragungen" charakteri-
siertes Verhältnis theoretischer und praktischer Aktivitäten.
7
Als experimentelles Ausbildungsmodell zielt
sie auf Erprobungen des Ernstfalls mit emanzipatorischer Ausrichtung. Praxiserfahrungen zu sammeln
erschöpft sich mithin nicht in der Rekapitulation und Einübung etablierter Fertigkeiten und Verhältnisse,
sondern ist gerade auf deren Veränderungspotenzial gerichtet.
8
6
Seit 1994 wurden in dem von Diethelm Stoller, Ulf Wuggenig und mir geleiteten "Kunstraum der Universität Lüne-
burg" folgende Projekte realisiert: Andrea Fraser/ Helmut Draxler: Services (1994); Clegg & Guttmann: The Transfor-
mation of Data into Portraiture (1994); Christian Philipp Müller: Touring Club (1994-95); Fabrice Hybert: Testoo
(1995-96); Christian Boltanski: Les Archives des Grandparents (1996); Thomas Locher/ Peter Zimmermann: Öffent-
lich/Privat (1996); Renée Green: The Digital Import / Export Funk Office (1996-97); Christian Philipp Müller: Der
Campus als Kunstwerk (1997-98); Hans-Peter Feldmann: Interarchiv (1998); Dan Peterman: Treibhaus (1999). Pro-
jekte des /D/O/C/K/-Projektbereichs, der sich, geleitet von Alexander Koch und mir, mit der Neubestimmung der
Funktionen der Galerie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst, Leipzig, befasst, waren: Drei Tage: Herstellen von
Öffentlichkeit: Künstlerische Selbstorganisation (2000); Selbstpositionierungsstrategien im Kunstfeld/ work in
progress. Eine Videoproduktion in Zusammenarbeit mit Christian Jankowski (2001); In welcher Haltung arbeiten Sie
bevorzugt? Kunst im Verhältnis zur Konstruktion von Arbeit, in Zusammenarbeit mit Andreas Siekmann (2001); be
creative! Der kreative Imperativ, in Kooperation mit Marion von Osten (2002).
7
Hier kommt einerseits Pierre Bourdieus Begriff des « Felds » zum Tragen, einem Netz oder einer Konfiguration
objektiver Relationen zwischen Positionen. Darin befinden sich die einzelnen Akteure – im Kunstfeld sind das etwa
Künstler/innen, Kurator/innen, Kunstkritiker/innen, Galerist/innen etc. – in einem kontinuierlichen Positionierungspro-
zess zu einander, vgl. Pierre Bourdieu, Loïc J. Wacquant: Reflexive Anthropologie, Frankfurt a. M. 1996, S. 127. An-
dererseits rekurriert diese Arbeitsweise auf das von Michel Foucault und Gilles Deleuze propagierte Verhältnis von
Theorie und Praxis, vgl.: Gespräch zwischen Michel Foucault und Gilles Deleuze. Die Intellektuellen und die Macht, in :
Michel Foucault : Von der Subversion des Wissens, Frankfurt a. M. 1993 (1974), S. 106-108.
8
Zur Zielsetzung der Arbeit des "Kunstraum der Universität Lüneburg" vgl. Beatrice von Bismarck, Diethelm Stoller,
Ulf Wuggenig: Games Fights Collaborations. Das Spiel von Grenze und Überschreitung, Kunst und Cultural Studies in
den 90er Jahren, Ostfildern-Ruit 1996, S. 7-9.
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Das ohnehin latente Risiko, dass der Modellversuch sich zum integrierten Bestandteil der Institution wan-
delt, dass er deren Machtausübung eher stabilisiert, als ihr widerständig zu begegnen, erhöht sich sowohl
in Lüneburg als auch in Leipzig dadurch, dass es sich bei der mit dieser konzeptionellen Ausrichtung
stattfindenden Projektarbeit nicht um einmalige Ereignisse oder Prozesse handelt, sondern dass sie als
Praxis mittlerweile auf eine mehrjährige Geschichte zurückblicken kann. Um dennoch die Falle eines zur
Dauereinrichtung mutierenden Experiments zu umgehen, das die institutionellen Aneignungsverfahren
kritischer Ansätze und Methoden in sich verstärkt, setzen KUNSTRAUM und /D/O/C/K Projektbereich vor
allem auf hybride, prozess-orientierte, transitorische, kontingente und performative Verfahren. Verfah-
ren, die in mehrfacher Hinsicht die institutionellen Regeln und die mit ihnen durchgesetzten Anforderun-
gen, zumal in ihren jüngsten effizienzorientierten, ökonomisierten Erscheinungsformen, wie sie Modulari-
sierung und kontinuierliche Evaluationsprozesse hervorbringen, durchkreuzen: Den Semestertakt verlas-
sende Prozessualität, Überschneidungen und Überlappungen von Rollen und Disziplinen, immer wieder
neue Formationen diskursiver Räume, die Flüchtigkeit der jeweils zusammenarbeitenden Gemeinschaften
und der stets mit angelegte Aufführungscharakter sind einige dieser potenziell widerständigen Dimensio-
nen der Projektarbeit.
9
Auf drei von ihnen - diejenigen, die im Zusammenhang mit Rollenüberlagerungen,
Transitorischem und Performativität stehen - will ich im Folgenden gesondert eingehen.
I.
Die - auf mehrere und wechselnde Akteure verteilte - Rolle der Lehrenden ist innerhalb der hier be-
schriebenen Projektarbeit gekennzeichnet durch einen reflektierenden Umgang mit der eigenen Position
in dem Spannungsfeld, das sich zwischen institutioneller Verantwortung und unabhängiger Forschung,
zwischen hierarchischer Weitergabe legitimierten Wissens und kollektiver experimenteller Arbeit auftut.
Der ebenfalls vermittelnden Position von Kurator/innen nicht unähnlich
10
, vollziehen im Allgemeinen auch
Lehrende einen Spagat, der die Unterschiede, die Pierre Bourdieu in seinem Text "Genese und Struktur
des religiösen Feldes" zwischen Priestern und Propheten beobachtete, zu überbrücken sucht. Die Priester
sind dabei die "Inhaber eines gesellschaftlich anerkannten und institutionalisierten Kapitals an religiöser
Autorität", deren Pflichten darin bestehen, Ordnung zu stiften, mithin die symbolische Macht der Institu-
tion, hier der Kirche, aufrechtzuerhalten. Die Propheten dagegen sind darauf ausgerichtet, die "gewöhnli-
che Ordnung" in Frage zu stellen, dabei neuartige Heilsgüter zu produzieren und zu verbreiten, die zur
Diskreditierung der alten dienen können. Sie begegnen also der Orthodoxie mit Häresie. Auch hier be-
steht die Möglichkeit einer von Veränderung in Affirmation umschlagenden Akzeptanzbewegung, kann
doch in der Entwicklung des Machtkampfes zwischen Priester und Kirche einerseits und Prophet und
Sekte andererseits, die Sekte zur Kirche werden, um damit zugleich dazu bestimmt zu sein, eine neue
Reformation auszulösen.
11
Übertragen auf den Kontext einer Hochschule ist damit zum einen die von Lehrenden eingenommene
vermittelnde Rolle angesprochen, in der sie die Einstiegsvoraussetzungen in das Feld, die sie selbst er-
füllten, an die Studierenden weitergeben, um gleichzeitig ihre Stellung im Feld dadurch zu festigen, dass
sie sich in ihrer künstlerischen und/oder forschenden Praxis über eben diese Kriterien hinwegsetzen und
die etablierte Lehrmeinung in Frage stellen. In dieser Zwickmühle zwischen Verpflichtungen der auftrag-
gebenden Institution gegenüber und den Autonomieansprüchen des Feldes organisieren Lehrende im
Kunstfeld ihre Arbeit im Überschneidungsbereich administrativer bzw. ökonomischer und künstlerischer
Anforderungen.
12
In besonderem Maße exemplifizieren sie damit die Problematik postindustrieller Arbeits-
verhältnisse, wie sie derzeit in dem um das von Foucault vorgestellte Konzept der "Gouvernementalität"
geführten Diskurs verhandelt wird. Die Selbsttechnologien, durch die eine zum gesellschaftlichen Leitbild
9
Die ausführlichere Behandlung der politischen Perspektiven der Projektarbeit geht über den hier zur Verfügung
stehenden Rahmen hinaus. Eine Publikation zur Arbeit des /D/O/C/K/-Projektbereichs erscheint im Juni 2004.
10
Vgl. dazu ausführlicher Beatrice von Bismarck: Kuratorisches Handeln: Immaterielle Arbeit zwischen Kunst und
Managementmodellen, in: Marion von Osten (2003), a. a. O., S. 81-98.
11
Vgl. Pierre Bourdieu, "Genese und Struktur des religiösen Feldes", in: ders.,
Das religiöse Feld: Texte zur Ökonomie
des Heilsgeschehens
, Konstanz 2000, S. 77, 79, 81, 86.
12
Vgl. dazu auch Beatrice von Bismarck: Kuratorisches Handeln. Immaterielle Arbeit zwischen Kunst und
Managementmodellen, in: Marion von Osten, a.a.O., S. 81-98.
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3
gewordene "autonome" Subjektivität verbunden wird mit wirtschaftlichen Regierungszielen, kommen hier
zum Einsatz.
13
Ausgehend und zugleich abweichend von Bourdieus dichotomem Modell lässt sich für Lehrende ein mit
kritischen Perspektiven ausgestatteter Handlungsspielraum in Haltungen und Verfahren ausmachen, mit
denen sie sich weder auf die Seite der Priester noch auf diejenige der Propheten schlagen, sondern das
zwischen beiden Rollen bestehende Verhältnis in die forschenden und experimentierenden Aktivitäten
einbinden. In einem Modus kritischer Reflexion wechselweise Aufgaben, Praktiken und Zuschreibungen
beider Positionen anzunehmen bedeutet, sich in einer dritten - transitorischen, flexiblen und hybriden -
Position zu verorten, deren Eigenschaften sich im Vollzug der eigenen Praxis jeweils neu bestimmen.
II.
Gestützt wird diese dritte Position der Lehrenden durch die Einbettung in kollektive Arbeitsprozesse, die
auf vorübergehender Gemeinschaftsbildung aufbauen. Anstatt fester Gruppenbildungen für die Arbeit an
einem oder sogar mehreren Projekten, erfolgen der Zusammenschluss und die Kooperation aufgrund
jeweils veränderter Fragestellungen und entsprechender Interessen. Hochschul-interne ebenso wie -ex-
terne Verhältnisse und Diskurse können den Ausgangspunkt der projektspezifischen Partizipation dar-
stellen, deren Formate, Methoden und Ziele sich erst in der gemeinsamen Arbeit entwickeln. Der vorü-
bergehende Charakter des Zusammenschlusses garantiert dabei sowohl das Weiterbestehen einer indivi-
duellen Praxis der einzelnen Partizipierenden als auch den projektiven "Entwurfs"-Charakter, den Miwon
Kwon als Kriterium für eine gelungene "community based art" ansetzte - einen projektiven "Entwurfs"-
Charakter, durch den die kollektive Arbeit ihr bestehende soziale, ökonomische oder etwa institutionelle
Beziehungen gestaltendes und damit kritisches Potenzial entfaltet.
14
Mit diesen Eigenschaften verstehen sich der KUNSTRAUM sowie der /D/O/C/K Projektbereich als sozial
und diskursiv konstituierte Räume ohne notwendigen festen Ort - Räume, für die Foucaults in mehrfacher
Hinsicht eher unspezifische Definition der "Heterotopie" eine gewisse, allerdings um die Strategie des
Performativen erweiterte Relevanz besitzt: Mittels der verschiebenden Wiederaufführung von Verhältnis-
sen und Bedingungen im kulturellen Feld erarbeiten beide Räume ihr Potenzial als Gegenplatzierungen
und Widerlager, "in denen die wirklichen Plätze der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und ge-
wendet sind".
15
III.
Die performativen Qualitäten der Projektarbeit beruhen schließlich darauf, dass sie über die bereits ge-
nannten Eigenschaften hinaus auch die Verknüpfung von einübenden und aufführenden Verfahren ein-
schließt. Wenn Themen wie Selbstorganisation, Netzwerkbildung, Selbstpositionierung oder der künstleri-
sche Arbeitsbegriff im Zentrum solcher Projektarbeit standen, waren sie nicht nur Gegenstand histori-
scher oder theoretischer Untersuchung und Aufarbeitung, sondern entwickelten sich im Vollzug auch je-
weils zum Teil der eigenen Praxis. Alle Teilnehmer/innen - Studierende, Lehrende und eingeladene Gäste
- waren im Verlauf der gemeinsamen Arbeit in Prozesse etwa der Netzwerkbildung ebenso eingebunden
wie in Verfahren und Strategien der Selbstpositionierung im Feld. Auf der Basis einer kritischen Analyse
von Bedingungen und Verhältnissen solcher Aktivitäten wurden diese mittels Ausstellung, Tagung oder
13
Vgl. Thomas Lemke/ Susanne Krasmann/ Ulrich Bröckling: Gouvernementalität, Neoliberalismus und Selbsttechnolo-
gien. Eine Einleitung, in dies. (Hg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen,
Frankfurt a. M. 2000, S. 29-30
14
Zum projektiven Charakter kollektiver Arbeit vgl. Miwon Kwons Ausführungen zur Gemeinschaftsbildung in der
community-based art in Berufung auf Linda Singer, Miwon Kwon: Ortungen und Entortungen der Community, in:
Christian Meyer, Mathias Poledna (Hg.), Sharawadgi. Köln 1999, S. 214 sowie dies.: One Place After Another. Site-
specific art and locational identity, Cambridge, Mass. / London 2002, S. 154-155.
15
Vgl. Michel Foucault: Andere Räume (1967), in: Michael Wentz (Hg.): Stadt-Räume, Frankfurt a. M./ New York
1991, S. 68.
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4
Video in einer Weise auf die Bühne gebracht, dass die Partizipierenden diese selbst vollführten und im
Sinne Judith Butlers in der Wiederholung verschoben.
16
Die Tatsache der Aufführbarkeit wies dabei die
Bedingungen und Verhältnisse als nicht gegeben, sondern kontingent und gestaltbar aus, die Aufführung
selbst vollzog die Gestaltung. In diesem Wechselspiel von nachahmender Nähe und theatraler Distanz,
das integrierter Bestandteil der beschriebenen Projektarbeit ist, ist ihr politisches Potential angelegt, das
nicht zuletzt auch die Zwickmühle der Lehre im Kunstfeld auf die Bühne bringt, um mit deren Naturali-
sierungen zu brechen.
16
Vgl. Judith Butler: Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt a. M. 1991, S. 202-208.
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